Keine Ehrenbürger mehr
Bayreuth distanziert sich von Hitler und Houston Chamberlain
von Siegfried Woldert
Bayreuth - Das Ehrenbürgerrecht der Stadt Bayreuth für Adolf
Hitler und den englischen Rassentheoretiker Houston Stewart Chamberlain
- des 1927 in Bayreuth verstorbenen Schwiegersohnes von Richard Wagner
- stand im Mittelpunkt einer Debatte des Bayreuther Stadtrats. Der einzige
Grünen- Stadtrat, Werner Kolb, hatte beantragt, den beiden dieses
Ehrenbürgerrecht abzuerkennen und sie aus der Ehrenbürgerliste
zu streichen. Außerdem verlangte Kolb die Umbenennung der Chamberlain -
Straße
in der Bayreuther Gartenstadt am Fuße des Festspielhügels in
Henriette-Gottlieb-Straße. Henriette-Gottlieb, die Ende der zwanziger
Jahre im Bayreuther Festspielhaus gesungen hat, war als Jüdin später
in einem Konzentrationslager ermordet worden.
Oberbürgermeister Dieter Mronz (SPD) verwies darauf,
dass Chamberlain und seiner Frau Eva (geborene Wagner) 1922 und Hitler
1933 vom damaligen Bayreuther Stadtrat das Ehrenbürgerrecht verliehen
worden war. Es bestehe kein Zweifel, dass sich der heutige Stadtrat
von den Ideen und Untaten dieser beiden Männer distanziere. Rein rechtlich
bestehe das Ehrenbürgerrecht für die beiden nicht mehr: "Tote
können keine Ehrenbürger sein." Eine Ehrenbürgerliste existiere
im Bayreuther Rathaus nicht, so dass auch eine Streichung nicht vorgenommen
werde könne.
Der parteilose Stadtrat Helmut Korn, ehemals CSU, meinte:
"Es entsteht der Eindruck, als ob sich die Stadt hier hinter Paragraphen
versteckt. Dem Bayreuther Stadtrat stünde es gut an, sich von den
damaligen Beschlüssen zu distanzieren." Außerdem monierte Korn, dass das Grab von Eva und Houston Chamberlain auf dem Bayreuther Stadtfriedhof
von der Stadt gepflegt werde.
Im Namen der SPD-Fraktion vertrat Professor Heinz Tischer
die Auffassung: "Wir sollten den Eindruck vermeiden, als wenn wir uns mit
juristischen Winkelzügen von einer klaren Entscheidung hinweg schleichen
wollten." Er stellte den Antrag: "Der Stadtrat distanziert sich von der
seinerzeitigen Verleihung des Ehrenbürgerrechts an Chamberlain und
Hitler. Die beiden Genannten sind nicht mehr Ehrenbürger der Stadt
Bayreuth."
Nach längerer Diskussion stimmte der Stadtrat zunächst
einstimmig der Empfehlung des Ältesten Ausschusses zu: "Der Stadtrat
stellt fest, dass das 1922 an Chamberlain und 1933 an Hitler verliehene
Ehrenbürgerrecht mit dem Tod der Genannten gegenstandslos geworden
und damit erloschen ist." Auch der weitergehende SPD-Antrag, dass man sich von der damaligen Verleihung distanziere, wurde angenommen.
Über die Umbenennung der
Chamberlain-Straße
soll der Bauausschuss im Januar entscheiden, nachdem man vorher die
in dieser Straße wohnenden Bürger dazu befragt hat.
Mit der Ehrenbürgerschaftsdebatte wurde auch die besondere
Rolle Bayreuths und seiner Festspiele während der NS-Zeit in Erinnerung
gerufen: Chamberlain hatte Hitler bereits 1923 in die Familie Wagner eingeführt.
Auf Chamberlains Veranlassung hin hatte seine Schwägerin Winifred
Wagner im gleichen Jahr dem damals in Landsberg am Lech in Festungshaft
sitzenden Hitler das Manuskriptpapier für "Mein Kampf" geschickt.