Miriam Eisenstadt   


 

 

 

 

18 I 1942

Konzert für die "Winterhilfe"

von  Wiktor Hart alias Marcel Reich-Ranicki

Wunderschöne künstlerische Eindrücke verdanken wir dem dritten Konzert in Folge für die Sache der “Winterhilfe”, das am 18 Januar diesen Jahres im Saal b der Judaistischen Bibliothek stattfand. Mit Zufriedenheit dürfen wir feststellen, dass unsere kritischen Bemerkungen bezüglich dem stark beworbenen, doch zweifellos wenig gelungenem Inaugurationskonzert im Saal der Femina (8.I) nicht ohne Wirkung geblieben ist. Dieses Mal haben sich die Organisatoren auf eine kleinere Zahl von Solisten beschränkt und ihnen damit die Möglichkeit gegeben, sich in größerem Rahmen zu präsentieren. Außerdem bemerkten wir die überaus gelungene Auswahl der Solisten, die auf der einen Seite eine ermüdende Gleichförmigkeit ausschloss, auf der anderen ein ernsthaftes künstlerische Niveau ermöglichte.  (teilweise unleserlich- P.S:). Der Höhepunkt des Konzert war der Auftritt von Marysia Ajzensztadt, die mit ihrer überdurchschnittlichen Kunst sowohl die Kenner wie die Laien verzaubert hat. Sie gab zum Besten: eine Arie  aus der Oper “Paris und Helena” von Gluck, zwei Arien des Cherubin aus der Oper “Die Hochzeit des Figaro” von Mozart sowie Lieder von Schumann und Brahms. Mit Zufriedenheit stellen wir fest, dass Marysia Ajzensztadt in der letzten Zeit ihr Programm gekonnt zusammenstellte, indem sie vor  allem Werke der lyrischen Literatur interpretiert, die ihren gesanglichen Möglichkeiten und künstlerischem Temperament am meisten entsprechen. Das Konzert eröffnete der Pianist Herr Leon Borunski (teilweise unleserlich- P.S) Lieder sind die Domäne der Ajzensztadt. So kann Mozart, Schumann oder Brahms nur eine Sängerin singen, die eine große Erfahrung hat, die ihre Stimme nach langwierigem, mehrjährigem Üben beherrscht, die mit der größten Kunst eines reifen Künstlers umzugehen versteht- Einfachheit und Zurückhaltung. Die Ajzenstadt hat diese Vorzüge fast schon am Anfang ihrer Karriere errungen, indem sie die Meisterhaftigkeit schnell wie der Blitz erlernte. Marysia Ajzensztadt ist jedoch keine Vollkommenheit ohne Makel. Neben dem wunderschönen Mitten kommen im oberen Bereich scharfe und grelle Töne vor. Die Sängerin und ihre Lehrer kennen diesen Makel bestimmten, und werden ihn zu gegebener Zeit einer energischen Kur unterziehen. Auf jeden Fall sollte die musikalische Karriere der Ajzensztadt unter ständiger Kontrolle von erfahrenen Musikern und klugen Lehrern (die wir allerdings in ihrer Umgebung ausmachen können) stehen. Man darf unter keinen Umständen dieses Talent der eigenen Intuition der Künstlerin anvertrauen. Auch wenn wir nicht mit Lob für die fabelhafte Künstlerin geizen, so warnen wir doch vor einer überfrühen Emanzipation. 
Nach der Pause trat der junge Geiger Herr Henryk Reinberg auf, der die berühmte Sonate mit der Teufelstriller von Tartini, sowie den zweiten Teil des Geigenkonzert von Tartowicz spielte. Zufrieden stellen wir fest, dass der hervorragend ausgebildete Geiger in letzter Zeit bedeutende Fortschritte gemacht hat. Die Sonate von Tartini gab Herr Reinber mit Überschwang und jugendlichem Temperament zum Besten und imponierte dabei damit das schwierige Stück technisch völlig zu beherrschen. In dem zweiten Teil des Konzerts von Karlowicz, konnte der zweifellos gut vorbereitete Geiger mit ehrlichem Gefühlsausdruck einnehmen. Wir bemerkten auch ein paar Mängel und Makel an dem Spiel des jungen Geigers, die jedoch Herr Reinberg, aus den zuletzt zu beobachtenden Fortschritten schließend, am besten herausfühlt und zweifelsohne im Stande sein wird zu beheben. Somit warten wir mit Interesse auf weitere Auftritte von Herrn Reinberg. Das unbestreitbar gelungene Konzert schloss Herr Kaslyle Golner (Bariton), der ein Reihe von Arien und Liedern von Mozart, Beethoven, Gouned, Gorgiano und Gruczaninow sang, ab. Herr Reinber und Herr Golner begleiteten sorgsam Herr Zygmunt Wolfsohn.        

"Churban un ojfstand in Warschauer Getto"
Aus dem Jiddischen Übersetzt von Nizza Thobi

Geboren wurde Miriam (Marischa) Ajsensztadt  im Juni 1922. Ihr Vater war der Musiker David Ajsensztadt, der bei dem Kantor Sirota als Sänger anfing und als Dirigent des berühmten Chores der großen Warschauer Synagoge auf der Tlomatzke Gasse endete. Sie (Miriam Ajesensztadt) hat das Warschauer jiddische Gymnasium "Jehudia"  1939 absolviert. Bezeichnend waren  ihre Schönheit und Lebhaftigkeit.  Sie bekam eine patriotische jiddische Erziehung - sei es zuhause oder in der Schule. Sie gehörte keiner Jugendbewegung an. In der Schule beteiligte sie sich  für an die Arbeit für Keren Hakajemet und zuhause herrschte musikalische Tradition; Der Vater komponierte zahlreiche f jiddische und hebräische  Volkslieder und die Tochter glänzte durch ihr Klavierspiel und besonders bekannt wurde sie durch ihr Singen.  Auf  jedem Schulabend oder bei Vorstellungen fiel sie durch ihren Gesang besonders auf  und sie verfügte über eine große Auswahl  hebräischer Erez-Israel-Lieder und jiddische Volkslieder, welche sie von dem Vater lernte. In der Schule war sie bei allen beliebt. Schon als sie noch sehr jung war erteilte sie Klavierunterricht.
Während der  Nazi Okkupationszeit, nach der Errichtung des Ghettos, wurde sie sehr bekannt als die "Nachtigall des Ghettos". Bei jedem ihrer Auftritte füllten Massen  den großen Tattersaal "Femina, der ca. 1000 Personen fasste. In dem Tattersaal trat auch ihr Vater mit einem Symphonischen Orchester von 20 Mann auf, welches er gegründet hatte. Sie trat auch als Solistin mit dem Jiddischen symphonischen Orchester unter der Leitung des Dirigenten Schimon Pulman, Marian Neutajch (Beide LPG und in geschlossenen Gesellschaften auf. Ihr ständiger Klavierbegleiter war Ignazi Rosenbojm, ein weltbekannter Künstler. Dieser war auch im der Ghetto auch ihr Lehrer und künstlerischer Wegbereiter. Sie beteiligte sich auch an Konzerten der  Untergrundbewegung um diese zu unterstutzen. Emanuel Ringelblum erwähnte sie besonders in seinem letzten Brief über  die Kulturtätigkeit im Ghetto. Sie wurde von den Deutschen auf dem "Umschlag-Platz" ermordet während der Vertreibung aus dem Warschauer Ghetto im Jahr 1942, als sie sich von ihren Eltern nicht trennen wollte.