"Nicht am furchtbaren Ende anfangen"
Trägerkreis rechtfertigt Konzept der Bayreuther
"Woche der Brüderlichkeit"
Bayern-SZ, 12. März 1987, von Siegfried Woldert
Bayreuth (Eigener Bericht) - Die von einem "Trägerkreis"
gestartete "Woche der Brüderlichkeit" im Internationalen Jugendkulturzentrum
in Bayreuth bemüht sich, wie der stellvertretende Leiter des Zentrums,
Theo Kinstle, betont, um einen Dialog zwischen alten und jungen Menschen,
zwischen Christen und Juden. Durch den Hinweis bei der Ankündigung
dieser Veranstaltungsreihe, man wolle "keine Vergangenheitsbewältigung"
betreiben, waren die Organisatoren in die Schusslinie öffentlicher
Kritik geraten. Ihnen war vorgehalten worden, sie scheuten die Auseinandersetzung
mit den Geschehnissen während der Zeit des Nationalsozialismus. So
hat, wie berichtet, der Bayreuther Schriftsteller und Bühnenautor
Peer Baedecker den Veranstaltern per Einschreiben mitgeteilt, dass er seinen Vortrag "Eintausend Stimmen - ein Stern", der sich mit dem Schicksal
jüdischer Sänger befassen sollte, im Bayreuther Jugendkulturzentrum
"natürlich nicht halten werde". Auch die für den kommenden Samstag
angekündigte israelische Sängerin Nizza Thobi, die derzeit in
München lebt, äußerte sich kritisch und betonte, dass sie sich nicht als "Alibi-Jüdin" für diese Veranstaltung
missbrauchen lassen wolle.
Miteinander trauen
Der Mitinitiator der Woche der Brüderlichkeit". der
Bayreuther evangelische Pfarrer Christian Geyer, weist ausdrücklich
darauf hin, dass es dem "Trägerkreis" der Veranstaltungen absolut
ferngelegen habe, irgendwelche Themen auszugrenzen. Die Sängerin Nizza
Thobi habe inzwischen ihre Teilnahme an dem Liederabend am Samstagabend
zugesagt.
Ein weiterer Mitorganisator, Alex John von der Gesellschaft
für jüdisch-christliche Zusammenarbeit in Franken, erklärte:
"In unserem Trägerkreis für die "Woche der Brüderlichkeit"
gibt es natürlich unterschiedliche Meinungen, aber die kann man auf
dem Weg zu einem gemeinsamen Ziel auch durchaus haben." Man bemühe
sich darum, bei jungen und älteren Menschen, bei Christen und Juden
die Bereitschaft und Fähigkeit zu suchen, miteinander zu trauern,
aber sich auch miteinander zu freuen, wobei das Miteinander-Trauern sicherlich
das Schwierigere sei.
Theo Kinstle vom Jugendkulturzentrum bedauert die "Missverständnisse"
um die Veranstaltungsreihe in der Öffentlichkeit. Er erklärt:
"Uns geht es darum, die Begegnungsfähigkeit für einen Dialog
herzustellen." Dialogunfähigkeit und Flucht in die Geschichtslosigkeit
gingen Hand in Hand. Um aus dieser Geschichtslosigkeit oder, auch Verdrängung
der Geschichte herauszutreten, müsse die Bereitschaft geweckt werden
zu erzählen, wie es gekommen sei. "Den Dialog suchen und nach den
Motiven fragen, heißt also, nicht am furchtbaren Ende anzufangen",
betont Kinstle. dabei werde man meist nur auf Schweigen oder gar Hass stoßen.
Gelächter als Waffe der Hoffnung
Die letzte Waffe der Hoffnung
sei noch immer das Gelächter, zitiert Kinstle einen Philosophen, bevor
man zur Eröffnung der "Woche der Brüderlichkeit" den französischen
Filmklamauk "Die Abenteuer des Rabbi Jacob" zeigte. Louis de Funès
agiert in dem Film als französischer Industrieller, der alles hasst,
was nicht französisch und katholisch ist. Er wird dabei durch eine
Laune des Schicksals mit einem Rabbiner aus den Vereinigten Staaten verwechselt,
der seine Verwandtschaft in Paris besuchen will. Mit einer Diskussion über
Fragen der Toleranz wurde der erste Abend der "Woche der Brüderlichkeit"
beendet. |